![]() |
||||||
![]() Dunkel ist die Nacht Das Mädchen ist erwacht
Der Regen tropft herunter
Das Mädchen ist noch munter
Auf der Straße draußen
In der Kälte außen
Steht der Fremde steif
Bald ist die Zeit reif
Das Mädchen schaut nach unten
Auf den Fremden drunten
Und der schaut hinauf
Zu dem Mädchen rauf
Was ist los, das magst du fragen
Die Antwort will ich gleich sagen
Du musst nur hören das ist klar
Entscheide selbst ob es ist wahr
Jetzt hör’ gut zu
Ich erzähl’ s dir im nu
Ich fange mal dann
Mit der Geschichte an
![]() Die mondlose NachtDunkel waren die Fenster des Hauses. Kein Licht war zu sehen. Und doch konnte man ein Gesicht erahnen, das durch eines der Fenster starrte.
Es war ein helles Gesicht. Hell, in einer mondlosen Nacht. Es schien, als hätte es den Mond verschlungen und würde nun langsam sein Licht herauslassen. Vielleicht war es auch so. Vielleicht. Viele glaubten es, doch niemand konnte es wissen. Nicht die Menschen, die hinter den verschlossenen, dunklen Fenstern schliefen, und auch nicht der Mensch der draußen stand. Draußen in der mondlosen Nacht. War es ein Mensch? Niemand wusste es. Keiner hatte ihn je gesehen in der Gegend. Auch das Gesicht nicht, das aus dem Fenster auf ihn hinab starrte. Er war ein Fremder.
Er stand einfach nur da. Bewegungslos. Im eiskalten Regen. Er tropfte an seinen Schulterlangen Haaren hinab, ohne dass er es zu bemerken schien. Es schien ihn nicht zu stören.
Seine Kleider waren dunkel, so wie alles in dieser Nacht. Und er bewegte sich nicht. Starrte immer nur auf das Fenster mit dem Gesicht.
Wusste er, was sich hinter dem Gesicht verbarg? Wusste er, dass dort ein kleines Mädchen saß und furchtlos auf ihn hinab schaute? Vielleicht. Ja, das Mädchen war furchtlos. Was würdest du tun, wenn jemand auf dein Fenster starren würde. Du wüsstest nicht wer, und nicht warum. Würdest du stehen und schauen? Schauen, was geschieht? Vielleicht.
Ja, es entstanden viele Vielleichts in dieser Nacht. Könnte man in die Gedanken des Menschen auf der Straße sehen. In die Gedanken in dieser mondlosen Nacht. Würde man welche entdecken?
„Vielleicht erkennt sie mich nicht.“, dachte er vielleicht oder „Vielleicht sollte ich wieder gehen.“
Ja, vielleicht sollte er das. Aber er tat es nicht. Er stand nur da, starrte auf das Haus, auf das Fenster, in der mondlosen Nacht.
Das Mädchen hinter dem Fenster wagte es nicht sich zu rühren. Nein, Angst hatte es keine, aber vielleicht hatte sie der Mann dort unten auf der Straße, im Regen, in der mondlosen Nacht. Vielleicht hatte er Angst. Das Mädchen wollte ihn nicht erschrecken.
„Vielleicht sollte ich ihn herein holen. Keiner kann in einer mondlosen Nacht dort draußen stehen, dort draußen im Regen.“, ja, das überlegte sie. Doch sie wollte nicht aufstehen, aus Angst, er könnte verschwinden, sobald sie ihren Platz verließ. Also blieb das Mädchen. Und wartete. „Worauf warte ich?“, fragte es sich oft in dieser Nacht. Ja, worauf? Sie wusste es nicht.
Da war etwas in seinem Blick. Die Tropfen, die die Strähnen seines nassen Haares verließen und dann auf der Erde zerplatzten, verliehen ihm etwas Unnahbares und doch so Bekanntes. Sie schien ihn zu kennen, wenn sie ihn auch nie gesehen hatte. Nein, das stimmte nicht. Sie hatte ihn gesehen. Oft schon war er in ihren Träumen aufgetaucht. Doch dort war er immer so fern gewesen. Nie zu fassen, immer verschwommen. Doch jetzt ihn dieser mondlosen Nacht konnte sie ihn sehen. So, wie sie ihn noch nie gesehen hatte. Sie wusste nicht, wer er war oder was er wollte. Aber sie wusste, sie musste bleiben. Und warten. Warten, bis etwas passierte.
Und etwas passierte. Der Mann unten auf der Straße bewegte sich. Das Mädchen mit dem hellem Gesicht wusste nicht wie lange es schon dort am Fenster gesessen hatte. Aber diese Bewegung erschreckte sie fast, denn sie kam so plötzlich und unvorhersehbar. Es war nur eine kleine Bewegung. Er bewegte seine Hand. Er bewegte sie zum Mund und es sah aus, als wolle er eine kleine Wolke hinauf zum Fenster des Mädchens pusten.
Kurz darauf kamen dem Mädchen Gedanken. Gedanken, die nicht die ihren waren. Sie verstand.
Der Mann dort unten auf der Straße im Regen, in der mondlosen Nacht war ihr ähnlich. Sie beide hatten dieselbe Gabe.
Deshalb tauchte er immer wieder in ihren Träumen auf. Deshalb stand er dort unten auf der Straße. In dieser mondlosen Nacht, in der sich niemand sonst hinaus traute.
Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht, das wie der Mond schien. Nur ein leichtes Lächeln, das sofort wieder verschwand. „Wer bist du?“, fragte sie in ihren Gedanken, „Wer bist du, der dort unten auf der Straße steht, in dieser mondlosen Nacht?“ Dann führte sie ihre Hand zum Mund und blies ihre Gedanken zu ihm hinunter.
„Jemand den du gut kennst. Mädchen, dessen Gesicht scheint, wie der Mond. Jemand den du gut kennst. Doch ich muss jetzt gehen. Bald melde ich mich. Melde mich wieder, in einer mondlosen Nacht.“
„Geh nicht. Ich will so viel erfahren. Was ist das für eine Gabe, die wir besitzen?“
„Du brauchst Geduld. Warte noch.“
„Ich warte schon mein ganzes Leben.“
„Dein Leben war so kurz. Warte noch.“
„Es war schon lang genug.“
„Noch bist du zu jung. Doch bald, bald wirst du alles erfahren.“
„Nein, bleib.“
„Ich darf nicht. Warte noch.“
„Was soll dieses warten?“
„Stell keine Fragen mehr und schlaf“
Die Stimme des Mannes war ruhig gewesen. Ruhig, ganz ruhig. So wie seine Bewegungen, wenn er die Gedanken zu dem Mädchen hinauf schickte. Oh, ihre Eigenen waren noch so abrupt und plötzlich. Viel zu heftig für eine solche Gabe. Ja, sie musste noch viel lernen. Viel, viel. Aber warum beantwortete der Mann dort unten keine Fragen? Warum stand er wieder nur da? Stand da, unten auf der Straße, im Regen, in einer mondlosen Nacht.
Einen Gedanken erhielt sie noch von ihm. „Schlaf jetzt, schlaf. Mädchen mit dem Gesicht des Mondes. Bald wirst du alles erfahren.“ Dann fielen ihre Augen zu. Einfach zu, gegen ihren Willen.
Sie träumte nichts. Es war anders als sonst, wenn sie von Albträumen geplagt wurde. Sie, die doch so anders war, als die anderen. Man sprach schlecht über sie in dem Haus, in dem sie wohnte. Aber die Menschen waren ja auch so dumm. Wussten nichts von ihrer Gabe. Nichts von dem Mädchen mit dem Gesicht, das wie der Mond leuchtete.
Ja, diese Nacht schlief das Mädchen ruhig.
Doch am Morgen schrak es hoch. Hatte es nicht wach bleiben wollen, bis der Fremde verschwand? Hatte es nicht warten wollen, warten darauf, dass er noch etwas erzählte? Doch noch etwas sagte von der Gabe, die sie beide hatten. Doch sie war eingeschlafen. Sie hob den Kopf. Sonnenstrahlen blendeten ihr Gesicht. Das Gesicht, das nachts strahlte wie der Mond. Sie blickte auf die Straße hinunter. Trocken war sie. Keine Spur von dem Regen, der in der Nacht gefallen war. Und auch keine Spur von dem Fremden, der ihr doch so vertraut erschien. Er war verschwunden. Sie hatte ihn so viel fragen wollen. Er war der erste gewesen, den sie kennen gelernt hatte, der die Gabe hatte.
Aber hatte er nicht gesagt, er würde wieder kommen? Ja, das hatte er. Das Mädchen schloss die Augen und lehnte sich zurück. Dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
Ja, sie würde warte, so wie er es ihr aufgetragen hatte.
Vielleicht würde er bald wieder dort unten auf der Straße stehen. Im Regen in einer mondlosen Nacht. Dann würde sie ihn fragen. Fragen, wer er war, woher er kam, was das für eine Gabe war, die sie beide hatten.
Doch bis dahin würde sie warten.
Warten auf die nächste mondlose Nacht.
Schau aus dem Fenster. Siehst du den Mond? Oder steht womöglich ein Fremder dort unten auf der Straße, der zu einem Fenster starrt. Womöglich spricht er gerade mit dem Mädchen mit der Gabe. Gibt es die Gabe? Wer weiß? Wohl nur die, die sie besitzen.
Fehlte dir die Spannung in der letzten Geschichte? Du wartest schon die ganze Zeit auf einen Krimi? Dann will ich dich auch nicht zu lange warten lassen. Na los, lies dir Johannas Geschichte durch. |
![]() |